Dissertationsvorhaben der 2. Kollegiatenstaffel         Dissertationsvorhaben der 1. Kollegiatenstaffel    
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Entwicklung eines Inbetriebnahme-Assistenten für die einfache und schnelle Programmierung von Industrierobotern
Performance Management im Produktionsanlauf
Reaktives Qualitätsmanagement
Agiles Vorgehensmodell zum Management komplexer Produktionsanläufe in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen
Anlauforientierte Technologieplanung zur Auswahl von Fertigungstechnologien
Diskrete Migration als Anlaufstrategie für Montagesysteme
Supply-Chain Optimierung für das Anlaufmanagement
Nutzenbewertung logistischer Reaktionsfähigkeit im Serienanlauf
Wertorientierte Fabrikplanung
Synchronisations- mechanismen für die Fabrikplanung
Complementarities and Contingencies of Organizational Responses to Product Change
Qualitätsorientiertes Management von Serienanläufen - Konzeption eines Gestaltungsmodells
Agiles Vorgehensmodell zum Management komplexer Produktionsanläufe in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen
Esther Borowski

Problemstellung
Zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sind Unternehmen in der vorherrschenden globalisierten, hoch technisierten und dienstleistungsorientierten Arbeitswelt zunehmend gefordert, Innovationen kontinuierlich und schnell auf den Markt zu bringen. Diese Entwicklung führt zu einer Verkürzung der Entwicklungszeit und einer beschleunigten Markteinführung komplexer Produkte, deren Auswirkungen sich in Form von hoch anspruchsvollen Produktionsanläufen in den Unternehmen zeigen. Insbesondere in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen bereiten diese Produktionsanläufe große Schwierigkeiten. Eine weitere Herausforderung der Herstellung hoch innovativer Produkte, wie beispielsweise mechatronische Produkte, liegt in den zahlreichen immanenten Komplexitätstreibern, wie beispielsweise interdependente Disziplinen und Gestaltungsobjekte, die aufgrund interdisziplinärer Wechselbeziehungen entstehen. Zur Bewältigung dieser Produktionsanläufe bedarf es komplexitätstauglicher Methoden, die eine Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams unterstützen.

Betrachtet man die sich verändernden Umweltbedingungen, die Rahmenbedingungen des Produktionsanlaufs in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen sowie die Eigenschaften des mechatronischen Produktes, so lassen sich Parallelen zu der historischen Entwicklung in der Softwareentwicklung und dem -projektmanagement identifizieren. Zur Begegnung der steigenden Komplexität in der Softwareentwicklung, wurden Ende der 1990er-Jahre die agilen Vorgehensmodelle entwickelt. Die Grundidee dieser Modelle bestand darin, bewährte Techniken und Vorgehensweisen der klassischen Vorgehensmodelle der Softwareentwicklung als Mindeststandard beizubehalten und durch Ergänzung sowie Umstrukturierung den Softwareentwicklungsprozess flexibler und schlanker zu gestalten. Ein besonderer Schwerpunkt lag hierbei auf der Berücksichtigung der technischen und sozialen Probleme während der Entwicklung.

These
In dem Promotionsprojekt wird daher die These verfolgt, dass eine Adaption ausgewählter Prozesse, Methoden, Werte und Prinzipien der agilen Softwareentwicklung und des -projektmanagements in ein Vorgehensmodell zum Management des Produktionsanlaufs mechatronischer Produkte in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen zu einer Verbesserung des Anlaufprozess hinsichtlich Qualität, Zeit und Kosten führt.

Existenzgrund und Forschungsfragen
Basierend auf dieser These wurde im Rahmen des Promotionsprojektes eine Dissertation erstellt deren Existenzgrund, das Bedürfnis von Unternehmen mit mittelständischen Strukturen nach einem agilen Vorgehensmodell zum Management komplexer Produktionsanläufe zur Verbesserung des Anlaufprozesses von mechatronischen Produkten hinsichtlich Qualität, Zeit und Kosten, ist. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden nachfolgende Forschungsfragen gestellt:

FF 1: Welche agilen Prozesse, Methoden, Prinzipien und Werte aus der agilen Softwareentwicklung lassen sich zum Management komplexer Projekte identifizieren?
FF 2: Wie ist ein agiles Vorgehensmodell zum Management von Produktionsanläufen in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen, zur Verbesserung des Anlaufprozesses von mechatronischen Produkten hinsichtlich Qualität, Zeit und Kosten zu gestalten?

Vorgehen
Die Dissertation ist wie nachfolgend erläutert aufgebaut. Im ersten Kapitel werden die Problemstellung und das Ziel der Arbeit erläutert, um daraus resultierende Forschungsfragen abzuleiten. Des Weiteren wird ein Überblick über die Vorgehensweise und eine Einordnung der Arbeit im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Anlaufmanagement“ gegeben. Im anschließenden zweiten Kapitel wird der Untersuchungsgegenstand beschrieben und eingegrenzt. Beginnend mit einer Abgrenzung und Definition der Begriffs Unternehmen mit mittelständischen Strukturen, werden im Folgenden Charakteristika von ebendiesen Unternehmen aufgezeigt und in einem ersten Schritt resultierende Anforderungen an ein Vorgehensmodell zum Management des Produktionsanlaufs sowie Gestaltungs- und Rahmenbedingungen der Unternehmen abgeleitet. Des Weiteren erfolgt eine Beschreibung des Managements des Produktionsanlaufs über eine Abgrenzung des Anlaufs und des Anlaufmanagements. Nachfolgend werden die Komplexitätstreiber im Produktionsanlauf, insbesondere des mechatronischen Produktes, aufgezeigt. Nach dieser Erarbeitung des Stands der Technik schließt das Kapitel mit einer Detaillierung und Fokussierung auf den Produktionsanlauf der zuvor erarbeiteten Anforderungen, Gestaltungs- und Rahmenbedingungen.

Im dritten Kapitel erfolgt basierend auf den ermittelten Anforderungen, den identifizierten Komplexitätstreibern und der Perspektive, Produktionsanläufe als Projekt zu verstehen, eine Analyse der aktuellen Entwicklungen und Strömungen im Projektmanagement. Hierbei wird die agile Softwareentwicklung bzw. das agile Softwareprojektmanagement ausgewählt und zeigt auf, dass diese Methode die größtmögliche Unterstützung zur Begegnung der Komplexität und dem Ausgleich von Stabilität und Flexibilität bot. Im Folgenden wurde unter Abgleich der zuvor ermittelten Anforderungen aus dem Portfolio der agilen Softwareentwicklung das agile Vorgehensmodell „Scrum“ ausgewählt. Den Abschluss des dritten Kapitels bildet eine wissenschaftliche Aufarbeitung unter Einbezug der im zweiten Kapitel aufgestellten Anforderungen des Vorgehensmodells „Scrum“ nach den Aspekten selbstorganisierte Teams und Rollenverständnis, Planung als Kommunikationsprozess sowie Prozessablauf.

Im vierten Kapitel wird auf der Basis der im zweiten Kapitel erarbeiteten Grundlagen und der im dritten Kapitel analysierten vorhandenen Ansätze ein systematisches, analytisch orientiertes Vorgehensmodell hergeleitet. Zur Strukturierung dieses Vorgehensmodells wird auf die Erkenntnisse der Managementkybernetik zurückgegriffen, um das kybernetische Grundmodell, das Viable System Model, auszuwählen und es entsprechend der benötigten Abstraktionsebenen zu generalisieren. In einem nachfolgenden Schritt werden die benötigten Elemente der agilen Softwareentwicklung und des Vorgehensmodells „Scrum“ unter Einbezug weiterer wissenschaftlicher Forschung adaptiert, so dass zum Abschluss des Kapitels das entwickelte agile Vorgehensmodell zum Management komplexer Produktionsanläufe in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen mit den eingangs aufgestellten Anforderungen abgeglichen wird. Das Ergebnis dieses Kapitels stellt nachfolgendes Überblicksbild des agilen Vorgehensmodells dar, aus dem hervorgeht, welche Elemente innerhalb der einzelnen Ebenen wie in Verbindung stehen.

Im folgenden fünften Kapitel wird das entwickelte agile Vorgehensmodell anhand eines Fallbeispiels im Rahmen eines Beratungsprojektes validiert. Weiterhin wird durch die praktische Durchführung aufgezeigt, dass sich die Prozessgestaltung sowie selbstorganisierte Teams für die Einführung und den Einsatz des Vorgehensmodells zum Management des Produktionsanlaufs ausgezeichnet eignen.

In Kapitel 6 werden die eingangs gestellten Forschungsfragen der Dissertation beantwortet. Dabei wird gezeigt, dass sich ausgewählte Werte, Prinzipien und Methoden der agilen Softwareentwicklung zum Management des Produktionsanlaufs eignen. Des Weiteren wird dargestellt, wie ein agiles Vorgehensmodell zur Verbesserung des Anlaufprozesses mechatronischer Produkte hinsichtlich Qualität, Zeit und Kosten gestaltet und strukturiert werden muss. Anschließend wird auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse eingegangen und mit einem Ausblick das Kapitel geschlossen. Im Rahmen der Verallgemeinerung der Ergebnisse und der Identifizierung zukünftiger Forschungsbedarfe wird auf eine Übertragbarkeit des agilen Vorgehensmodells auf große Projekte in kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie eine Übertragbarkeit einzelner Elemente bei Produktionsanläufen anderer Produkte verwiesen. Weiterer Forschungsbedarf lässt sich in der Integration des agilen Vorgehensmodells in den Produktentwicklungsprozess und das Prozessmanagement identifizieren. Die Dissertation schließt im sechsten Kapitel mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnissen.



Abbildung 1: Agiles Vorgehensmodell zum Management komplexer Produktionsanläufe in Unternehmen mit mittelständischen Strukturen
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Projektträger: