Anlauforientierte Technologieplanung zur Auswahl von Fertigungstechnologien
Bastian Nau

Eine der Phasen des Anlaufmanagements ist die Planung des Produktionssystems. Dazu gehören sowohl Fabrik- und Logistikplanung als auch die Planung der Fertigungstechnologien, mit denen das zukünftige Produkt hergestellt werden soll. Das Dissertationsvorhaben „Anlauforientierte Technologieplanung zur Auswahl von Fertigungstechnologien“ beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche Fertigungstechnologien bei der Planung eines Produktanlaufs gewählt werden sollen. Es muss auf Basis einer Vielzahl von Fertigungstechnologien eine Entscheidung getroffen werden, die die Ziele des Anlaufs bestmöglich erreichen lässt.

Das Ziel dieses Dissertationsvorhaben ist die Entwicklung eines Gestaltungsmodells zur Entscheidungsunterstützung bei der Auswahl von Fertigungstechnologien während der Planung von Produktionsanläufen. Die Herausforderungen sind die Identifizierung und Berücksichtigung aller Einflüsse, die Fertigungstechnologien auf die Hauptziele des Anlaufprojektes haben. Durch die methodische Unterstützung bei der Auswahl bzw. Auslegung der geeigneten Fertigungstechnologie sollen Produktionsausfälle bei der Steigerung der Ausbringungsmenge (Hochlauf) vermieden werden. Ebenfalls soll die Einführung neuer, unbekannter Fertigungstechnologien bei Anläufen berücksichtigt werden. Das Tätigkeitsgebiet der Technologieplanung, also die Auswahl, Bewertung und Weiterentwicklung von Fertigungstechnologien im Rahmen von Produktentwicklungsprozessen und Verbesserungsmaßnahmen in der Produktion, wird dadurch in das Anlaufmanagement integriert.

Die Ziele des Anlaufmanagements sind in der Regel ein minimaler Kosteneinsatz, eine möglichst kurze Zeit bis zum Start of Production sowie die möglichst schnelle Erfüllung der Produktqualität. Das Erreichen dieser Ziele wird in den meisten wissenschaftlichen Arbeiten über die Organisationsstruktur des Anlaufteams hergestellt. Auch die Themen Kommunikation und Information innerhalb der Projektorganisation im Anlauf spielen häufig eine zentrale Rolle. Technologische Parameter sind in der Literatur fast ausschließlich logistische Faktoren (wie z.B. Transport oder Lieferanteneinbindung) oder Produktkennzahlen (wie z.B. der Produktreifegrad). Die Fertigungstechnologie dagegen wird stark vernachlässigt oder höchstens als komplexitätssteigernder Faktor ins Gesamtsystem mit einbezogen. Meistens werden Fertigungstechnologien als gegeben angenommen, d.h. als Größen, die vor der Anlaufphase definiert wurden, jedoch keine Einflussgröße bei der Anlaufplanung sind und auch nicht anlaufgerichtet ausgewählt oder optimiert werden können.

Tatsächlich ergibt sich jedoch aus den allgemeinen Phasen des Anlaufmanagements, dass die Phase der Technologieplanung vor der Pilotphase liegt und so eine unmittelbare Auswirkung auf den Produktionsanlauf hat. Vor dem Hintergrund der Zeit-, Kosten- und Qualitätsziele kann hier entscheidend Einfluss auf den Erfolg und Misserfolg des Anlaufs genommen werden. Dazu kann z.B. eine anlaufoptimierte Auswahl neuer Fertigungstechnologien dienen, aber auch die Erstellung einer Prozesskette, mit der ein definiertes Anlaufziel mit hoher Wahrscheinlichkeit und ohne Störungen erreicht werden kann.
Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass eine Einbeziehung von Methoden der Technologieplanung einen höheren Aufwand in der Planungsphase bedeutet. Deshalb muss im Vorfeld abgeschätzt werden, wie hoch Aufwand und Nutzen der Technologieplanung bezogen auf ein bestimmtes Anlaufprojekt sind, weshalb die Methoden und beeinflussbaren Größen der Technologieplanung bekannt sein müssen. Über die Analyse des Stands der Erkenntnis wird deutlich, dass Defizite auf dem Gebiet der Technologieplanung innerhalb des Anlaufmanagements vorhanden sind. Auf Grund mangelhafter Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Bereichen Anlaufmanagement und Technologieplanung und auch geringer Kenntnis von Aufwänden und Potenzialen der Technologieplanung wird die Nutzung von Synergien verhindert.

Zur Entscheidungsunterstützung bei der Auswahl von Fertigungstechnologien im Produktionsanlauf wurde ein Vorgehen in zwei Schritten - bestehend aus Szenarioanalyse und Risiko-Potenzial-Analyse - entwickelt. Beginnend mit der Ausgangssituation werden Szenarien aufgestellt, die den Planungsumfang der aktuellen Aufgabe beschreiben. Dort wird hinterlegt, welche Produktionsform und welche Art von Produkt vorhanden sind sowie Methoden der Technologieplanung, die durchgeführt werden können. So kann der optimale Planungsumfang ausgewählt und der Aufwand bestimmt werden. Im zweiten Schritt werden die Risiken und Potenziale von Fertigungstechnologien bestimmt, die zur Auswahl stehen. In einer Risiko-Potenzial-Analyse werden die einzelnen Parameter bewertet und es ergibt sich dadurch die Empfehlung für die Auswahl einer bestimmten Fertigungstechnologie.

Die Aufstellung der Szenarien erfolgt mit Hilfe der Szenariotechnik. In der Umfeldanalyse wird die aktuelle Aufgabenstellung, d.h. das aktuelle Anlaufprojekt, analysiert. Es werden das bestehende und das neue Produkt sowie die existierenden Fertigungstechnologien erfasst. Ebenfalls aufgenommen werden die Methoden der Technologieplanung, in denen beschrieben ist, welche Planungsaktivitäten im Detail durchgeführt werden können. Für jeden dieser Bereiche werden Einflussfaktoren, wie z.B. der Änderungsgrad von Produkt und Fertigungstechnologie, ermittelt, die sich in der Zukunft ändern können. Im Schritt der Szenario-Prognostik werden mögliche Ausprägungen dieser Faktoren bestimmt und so verschiedene Szenarien gebildet. Als Ergebnis erhält man mögliche Planungsfälle und kann denjenigen auswählen, der für das aktuelle Projekt einen angemessen Aufwand und Umfang besitzt.

Für den Fall, dass eine neue Fertigungstechnologie ausgewählt werden muss, wurde eine Risiko-Potenzial-Analyse entwickelt. Hier wird beschrieben, wie Risiken und Potenziale von Fertigungstechnologien identifiziert, bewertet und aggregiert werden können. Die Risiken und Potenziale beziehen sich immer auf den konkreten Anwendungsfall, d.h. es werden nicht nur allgemeingültige Aussagen berücksichtigt, sondern auch unternehmensspezifische. Zur Unterstützung der Methode wurde ein Katalog von Risiken und Potenzialen erstellt, der bei der Identifikation im Anlaufprojekt herangezogen werden kann. Der Katalog ist in technologische und anlaufspezifische Risiken bzw. Potenziale unterteilt, um sowohl der Fertigung als auch dem Anlauf gerecht zu werden. Das Ergebnis der Risiko-Potenzial-Analyse wird in einem Portfolio dargestellt, so dass sich die zu wählende Fertigungstechnologie ablesen lässt. Technologien mit einem geringen Risiko und hohen Potenzial sind grundsätzlich für den Einsatz geeignet. Solche mit hohem Risiko und hohem Potenzial sowie geringem Risiko und geringem Potenzial müssen einer Detailanalyse unterzogen werden. Für sie sind in der Regel noch nicht genug Informationen verfügbar. Alle anderen sind für den aktuellen Fall nicht geeignet.

Die Validierung des Dissertationsvorhabens ist mit Berichterstellung noch nicht durchgeführt und stellt den nächsten Schritt dar. Bei einem Industriepartner wird innerhalb eines aktuellen Anlaufprojekts eine neue Fertigungstechnologie gesucht. Damit soll einem bestehenden Produkt ein weiteres Bauteilmerkmal hinzugefügt werden. Die Auswahl der Fertigungstechnologie soll sowohl mit der im Unternehmen etablierten Methode durchgeführt werden als auch mit der oben beschriebenen. So soll die Eignung der Methodik validiert und eine Abschätzung des Aufwands durchgeführt werden.
 
   
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